„EU bekämpft Füchtlinge statt Fluchtursachen“

Hilfsorganisationen fordern eine Neuausrichtung der europäischen Flüchtlingspolitik. Sie müsse sich an Menschenrechten und Völkerrecht  ausrichten. Die aktuell verhandelten Abkommen Europas mit afrikanischen  Staaten seien in Wahrheit schmutzige Deals.

 Europäische Union © Eoghan OLionnain @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

DATUM28. November 2017

Mehrere Hilfsorganisationen fordern eine Neuausrichtung der europäischen  Flüchtlingspolitik. Sie müsse sich an Menschenrechten und Völkerrecht  ausrichten. Die Weichen für eine faire, zukunftsfähige Migrationspolitik  müssten in einem partnerschaftlichen Dialog mit den Herkunftsländern  gestellt werden, forderten Brot für die Welt, medico international und  Pro Asyl am Montag in einer gemeinsamen Erklärung.

 „Die sogenannten europäischen Kooperationsangebote sind in Wahrheit  schmutzige Deals mit Regimen, in denen eklatante   Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind“, erklärte Ramona   Lenz von medico international. Die gut bezahlten Abkommen wie etwa mit  Libyen, Ägypten oder Eritrea markierten Tiefpunkte der europäischen  Externalisierungspolitik.

Die Auslagerung von Verantwortung werde immer wieder artikuliert in  Vorstößen zur Errichtung von Lagern und der Feststellung von Schutzbedürftigkeit außerhalb Europas – beispielsweise in Niger, dem  weltweit zweitärmsten Land. Dort soll entschieden werden, wer ein Recht  auf Schutz in Europa hat. Fluchtgründe sollen mithilfe des  UN-Flüchtlingshilfswerks ermittelt werden, um für Einzelne einen  Flüchtlingsstatus zu erwirken. „Recht auf Asyl wird unterlaufen“

 „Das individuelle Recht auf Asyl wird in Europa durch Abwehrmaßnahmen   unterlaufen. Europäisches Territorium und ein Asylverfahren in Europa  sollen unerreichbar werden. Flüchtlinge werden der Schutzlosigkeit und  eklatanten Rechtsverletzungen in Transitländern wie Libyen   ausgeliefert“, mahnt Karl Kopp von Pro Asyl. Flüchtlinge müssten aber  die Möglichkeit haben, in Europa Schutz zu suchen.

 „Darüber hinaus brauchen wir eine echte Fluchtursachenbekämpfung“, sagt  Sophia Wirsching von Brot für die Welt. Dafür müssten die  Entwicklungsgelder von EU und Bundesregierung eingesetzt werden.  „Entwicklungsgelder sollten eingesetzt werden, um Menschen zu schützen,  ihnen nachhaltige Perspektiven zu schaffen und um friedliche  Konfliktlösung zu fördern. Das Gegenteil ist der Fall, wenn unter dem   Label Fluchtursachenbekämpfung Kooperationen mit autoritären und die   Menschenrechte verletzenden Regimen eingegangen werden mit dem einzigen   Ziel, Menschen von der Weiterflucht nach Europa abzuhalten. Hier werden   Entwicklungsgelder zweckentfremdet und zudem eher neue Fluchtursachen  geschaffen“, so Sophia Wirsching.

 Nachhaltige Investitionen statt Grenzkontrolle

Libyen und Ägypten etwa erhalten offizielle Entwicklungsgelder aus dem   EU-Treuhandfonds für Afrika für den Ausbau ihrer Grenzkontrollen. Die   drei Organisationen fordern stattdessen nachhaltige Investitionen in die   Zukunft der Menschen in ihren Herkunftsländern. Darüber sollten die  Regierungen der Herkunfts- und Zufluchtsländer in einem  partnerschaftlichen Dialog verhandeln. Im Zuge der Erreichung der   nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen gehörten dazu auch  legale Migrationsmöglichkeiten nach Europa. Vor allem dürfe die   europäische Verantwortung nicht ausgeblendet werden, denn mit ihren  Rüstungsexporten, ihrer Handels-, Klima- und Agrarpolitik trage die EU  zu den Fluchtursachen bei.

 Vom 29. bis 30. November findet das fünfte Gipfeltreffen der  Europäischen Union (EU) und der Afrikanischen Union (AU) in Abidjan,  Côte d‘Ivoire statt. An dem Gipfel will auch Bundeskanzlerin Angela   Merkel (CDU) teilnehmen. Vertreterinnen und Vertreter der EU drängen  darauf, Migration und Flucht auf die Agenda zu setzen. Das offizielle  Leitmotiv des Gipfels lautet: „Investitionen in die Jugend für eine  nachhaltige Zukunft“. Als Erfolgsindikator für die Kooperationen mit  Staaten wie Libyen oder Ägypten gelten sinkende Ankunftszahlen von  Schutzsuchenden in Europa. (mig)

Quelle: MiGAZIN 28.11.2017